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ZUKUNFT DES WESTBALKANS IN DER EU

ZUKUNFT DES WESTBALKANS IN DER EU

Das katholische Osteuropa-Hilfswerk Renovabis begrüßt den Vorschlag, Bosnien und Herzegowina am morgigen Donnerstag den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu verleihen. „Dies ist ein wichtiger Schritt Richtung politische und wirtschaftliche Stabilität auf dem Westbalkan“, hebt Hauptgeschäftsführer Professor Thomas Schwartz die Bedeutung dieser Entscheidung hervor. Zugleich mahnt er Ehrlichkeit an.

„Die EU darf es nicht nur bei Worten belassen. Sie muss durch Taten den Menschen in Bosnien und Herzegowina deutlich machen, dass sie eine echte Perspektive in der EU haben.“ Dafür müsse sich „ehrlich stark gemacht“ werden. Dazu gehöre es, die weiteren politischen und wirtschaftlichen Integrationsschritte massiv zu unterstützen. Doch auch der neue Beitrittskandidat müsse seine Hausaufgaben machen. „Die politischen Repräsentanten der Volksgruppen sollen endlich gegenseitige Blockaden aufgeben und für dringend notwendige, grundlegende Reformen an einem Strang ziehen“, erwartet Schwartz. Nur im Miteinander könne das noch immer durch ethnische Spannungen geprägte Land seinen Bürgerinnen und Bürgern eine echte Zukunftsperspektive bieten. Bosnien und Herzegowina leidet, wie viele andere Länder Südosteuropas unter einer hohen Abwanderung. Besonders viele junge Menschen kehren ihrer Heimat den Rücken; die Jugendarbeitslosigkeit  – sogar unter gut Ausgebildeten ‑  liegt bei rund 47 Prozent. Selbst die dortige Regierung beziffere den Anteil der Arbeitslosen in der gesamten arbeitsfähigen Gesellschaft seit Jahren mit gut 17 Prozent.

„Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren den Staaten des Westbalkans zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“, konstatiert der Renovabis-Chef. Erst durch den russischen Angriff auf die Ukraine sei Dynamik in den Erweiterungsprozess der EU gekommen. Dabei sei die Einflussnahme von Staaten wie Russland, China und der Türkei in diesem Land seit langen bekannt. Der Renovabis-Chef berichtet, dass er aus Begegnungen mit den Menschen in den Westbalkanländern wisse, wie sehr sie sich danach sehnten, zur europäischen Völker- und Friedensfamilie gehören zu dürfen. Aus ureigenstem Interesse sollte die EU diese Hoffnung nicht enttäuschen. „Wenn wir nicht riskieren wollen, dass in Serbien, Nordmazedonien, Kosovo oder Bosnien und Herzegowina neue Konflikte ausbrechen oder andere Mächte Einfluss nehmen, dann müssen wir den Menschen dort durch konkrete weitere Schritte deutlich machen: Wir glauben an Eure Zukunft in der EU!“

Der Balkanstaat Bosnien und Herzegowina soll beim EU-Gipfel an diesem Donnerstag offiziell zum Kandidaten für den Beitritt zur Europäischen Union ernannt werden. Eine entsprechende Empfehlung gaben am Dienstag die Europaminister der EU-Staaten in Brüssel ab. Dass sie von den Staats- und Regierungschefs angenommen werden wird, gilt als sicher. Grund ist auch die Sorge, dass sich das rund 3,3 Millionen Einwohner zählende Land ansonsten verstärkt in Richtung Russland oder China orientieren könnte.

Renovabis förderte in Bosnien und Herzegowina seit 1993 insgesamt 553 Projekte seiner Partner vor Ort mit mehr als 50 Millionen Euro. Allein gut zwölf Millionen Euro davon sind in die „Schulen für Europa“ gegangen. Diese dienen nicht nur der Bildung, sondern auch der Versöhnung und dem friedlichen Miteinander der ethnisch multikulturellen Bevölkerung. An sechs Orten gibt es Schulzentren für alle Altersgruppen ‑ vom Kindergarten bis zum Gymnasium und auch Berufsschulen. Die mehr als 5.000 Schülerinnen und Schüler sind junge Bosniaken, Serben und Kroaten muslimischen, orthodoxen und katholischen Bekenntnisses. Renovabis sieht in diesen Schulen einen erfolgreichen und nachhaltigen Beitrag zum Abbau ethnischer Spannungen in Bosnien und Herzegowina.